Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus
Kein Ort für Helden
Im Frühjahr 2024 veröffentlicht, wirkt Alex Garlands Bürgerkriegsdystopie Civil War längst beängstigend realistisch. Ein US-Präsident, der den Staat von innen aushöhlt und seine Macht auf rücksichtslose Weise ausbaut, gibt es schließlich nicht nur in der Filmhandlung. Nach diesem düsteren Blick in eine gewaltsame amerikanische Zukunft widmet sich der Brite in seinem Folgeprojekt dem umstrittenen Irakkrieg, den die Regierung George W. Bushs nach den Anschlägen vom 11. September 2001 im Kampf gegen den Terror führte. Die Frage der Rechtmäßigkeit spielt dabei keine Rolle. Vielmehr konzentrieren sich Garland und Co-Regisseur Ray Mendoza (schon als militärischer Berater an Civil War beteiligt) auf eine dramatische Mission einiger junger Navy Seals, an der Letzterer selbst teilnahm. Politische Erklärungen, Moral und tiefschürfende Charakterporträts – alles nicht präsent. Was zählt, sind der Moment und das Grauen, das während des Einsatzes über die Soldaten hereinbricht.
Am 19. November 2006 soll der Trupp um den leitenden Offizier Erik (Will Poulter) ein aufständisches Gebiet im Irak absichern und dringt dafür im Schutz der Dunkelheit in ein zweigeschossiges Wohnhaus ein. Die dort lebenden Familien werden in einem Raum zusammengetrieben und sollen sich ruhig verhalten, während die US-Soldaten so unauffällig wie möglich aus dem Inneren die nähere Umgebung observieren. Schnell bemerken sie in einiger Entfernung geschäftiges Treiben, und nur wenig später kommt es zu einem ersten Angriff. Scharfschütze Elliot (Cosmo Jarvis) wird dabei angeschossen, weshalb die Navy Seals ein gepanzertes Fahrzeug zum Abtransport anfordern. Als dieses endlich auftaucht, geht der Albtraum erst richtig los. Eine Bombe verwundet Elliot und Sam (Joseph Quinn) schwer. Erik, der Funker Ray Mendoza (D’Pharaoh Woon-A-Tai) und ihre Kameraden versuchen fortan, sich und die Verletzten irgendwie in Sicherheit zu bringen.
Zunächst wähnt man sich in einem völlig anderen Film. Warfare beginnt mit dem sexualisierten Musikvideo zu Eric Prydz‘ Dance-Hit Call on Me aus dem Jahr 2004, das die jungen Soldaten vor ihrem Einsatz abfeiern. Bis zum Anschlag drehen Garland und Mendoza den Ton hoch, um ihn dann abrupt zu kappen, wenn nach einem harten Schnitt die Mission startet. Das Spiel mit der Geräuschkulisse, es wird zu einer Art Leitmotiv – und trägt entscheidend dazu bei, dass die Geschehnisse auf der Leinwand eine enorme Intensität entfalten.
Der erste Abschnitt nach der Besetzung des spontan ausgewählten Hauses zeigt vor allem angespanntes Warten. Durchbrochen wird die Stille von kurzen Gesprächen, kleinen Scherzen und der Funkkommunikation mit anderen Einheiten. Aus der Nähe blickt die Kamera den Navy Seals ins Gesicht, fängt kleinste Regungen ein. Schon jetzt ist manchem Anwesenden das Unbehagen anzumerken. Zudem wird alsbald klar, dass der Film hält, was sein Titel – zu Deutsch: Kriegsführung – verspricht. Militärische Routinen, die besondere Sprache im Funkaustausch und taktische Manöver geraten immer wieder in den Blick. Offenkundig setzen Garland und Mendoza auf größtmöglichen Realismus. Dass diesem trotz aller Bemühungen um eine akribische Rekonstruktion Grenzen gesetzt sind, wird allerdings im Kleingedruckten nicht verschwiegen. Am Ende des Abspanns weisen die Macher darauf hin, dass Warfare die wahren Ereignisse so genau darstelle, wie es die Erinnerungen der Beteiligten zuließen.
Mit dem Bombenanschlag auf den gepanzerten Wagen wechselt die Stimmung. Aus einer konzentrierten Lauerhaltung wird ein nackter Überlebenskampf. Direkt nach der Detonation sind die Bilder in einen infernalischen, grau-grünen Nebel getaucht. Schreie mischen sich mit panischen Funksprüchen. Und der Ton klingt für eine Weile seltsam dumpf. Hinzu kommen ungeschönte Aufnahmen der Verletzungen. Die Grundaussage: Krieg ist hässlich, grausam, kein Ort für heroische Leistungen. Im Gegensatz zu vielen anderen US-Filmen, die Militäraktionen aus dem wahren Leben nachzeichnen, verzichtet Warfare auf pathetische Anklänge. Selbst die am Schluss ablaufende obligatorische Fotoshow, bei der die Darsteller und ihre reale Pendants gegenübergestellt werden, setzt irritierende Akzente. Sind doch die meisten Gesichter der echten Soldaten unkenntlich gemacht.
Die Konzeption – fast alles spielt sich in dem beschossenen Haus ab, über die Vorgeschichte der Protagonisten erfahren wir nichts – sorgt dafür, dass wir keine vielschichtigen Charaktere vor uns haben, sondern unterschiedliche Typen, denen das mit Verve agierende Ensemble Leben einhauchen kann. Wie so oft in derartigen Werken bleiben auch die Gegner Schablonen, sind nicht viel mehr als plötzlich auftauchende Köpfe oder Körper. Leider erhalten selbst zwei einheimische Soldaten, die die Navy Seals unterstützen, und die in Schach gehaltenen Bewohner*innen des eingenommenen Gebäudes fast keinen Raum. Dabei muss das Ganze gerade für Letztere hochtraumatisch sein. Wer möchte schon aus dem Schlaf gerissen werden und sich auf einmal unverschuldet im Zentrum einer militärischen Operation wiederfinden? Hier greift Warfare etwas zu kurz.
19. November 2006, Irak – Ein Platoon junger Navy Seals soll das Haus einer irakischen Familie besetzen, um ein aufständisches Gebiet abzusichern. Zuerst läuft alles nach Plan. Sie halten die Bewohner in Schach und verteilen sich in dem zweistöckigen Gebäude, um die Umgebung zu beobachten. Als sie eine bewaffnete Gruppe Männer bemerken, ist es schon zu spät: Eine Granate explodiert im Haus, kurz darauf detoniert eine Bombe und zwei Soldaten werden schwer verletzt. Gefangen in dem Haus geht es für die jungen Männer nur noch ums blanke Überleben. Der Druck der Angreifer lässt nicht nach und Unterstützung dringt nur mühsam zu ihnen vor. Verzweifelt versuchen sie, die beiden Verletzten am Leben zu halten. Ein erbarmungsloser Wettlauf gegen die Zeit beginnt. (Quelle: Leonine)